Europe in the World Days in Alpbach: „Das Einstimmigkeitsprinzip muss abgeschafft werden!"


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28 Aug., 2023

Die zweite Woche des European Forum Alpbach hat begonnen. Bis 30. August treffen europäische Entscheidungsträger:innen in Alpbach Menschen aus Wissenschaft, Wirtschaft, Kultur und Zivilgesellschaft.

In den kommenden Tagen wird gemeinsam über jene Themen, die Europa derzeit in Atem halten, diskutiert: die finanzielle und wirtschaftliche Souveränität unseres Kontinents, die zukünftige europäische Sicherheitsarchitektur, den Klimawandel und den Schutz demokratischer Werte gegen autoritäre Einflüsse.

Der Präsident des European Forum Alpbach, Andreas Treichl, eröffnete die „Europe in the World Days“ mit dem Appell, das Einstimmigkeitsprinzip zu hinterfragen: „Ein starkes, selbstbewusstes Europa wird durchziehen, was es begonnen hat. Es muss seine Regulierungswut eindämmen und stattdessen den Mut haben, eine Änderung seiner Verträge umzusetzen. Das Einstimmigkeitsprinzip darf nicht umschifft, sondern muss abgeschafft werden. Dann kann die Erweiterung endlich angegangen und die wirtschaftliche Union vorangetrieben werden. Wenn das nicht passiert, wird Europa in seiner geopolitischen Bedeutung weiter ab- und über kurz oder lang auch zerfallen. Leider ist das unter den derzeitigen politischen Gegebenheiten in Europa die wahrscheinlichere Lösung.”

Bei der Eröffnung der zweiten Woche beziehen sich die Aussagen meist auf das EFA-Jahresthema „Bold Europe“. So sagt die kosovarische Präsidentin Vjosa Osmani-Sadriu in Bezug auf eine EU-Erweiterung am westlichen Balkan: „Ein mutiges Europa ist ein erweitertes Europa. Die Europäische Union ist das wichtigste Wirtschafts- und Friedensprojekt in der Geschichte der Menschheit. Ein mutiges Europa ist ein prinzipientreues Europa. Eine Beschwichtigungspolitik gegenüber Autokrat:innen widerspricht den Grundsätzen, die das Fundament der Europäischen Union bilden. In der Europäischen Union ist es unerlässlich, dass mutige Entscheidungen auch prinzipientreue Entscheidungen sind. Ein mutiges Europa ist außerdem ein geeintes Europa. Und diese Einheit darf die Werte nicht in Frage stellen.”

Die belarussische Oppositionsführerin Sviatlana Tsikhanouskaya thematisiert die Beziehung Europas zu autokratisch geführten Ländern: „Heute zahlen die Menschen in Weißrussland und der Ukraine einen sehr hohen Preis dafür, freie Nationen zu werden. Die Verteidigung der Menschenrechte ist nicht nur eine innereuropäische Angelegenheit. Die Verteidigung der Menschenrechte ist die Pflicht eines jeden mächtigen, freien Landes – für diejenigen, die auf dem Weg dorthin sind. Weißrussland gleicht derzeit einem großen Gefängnis, in dem etwa 60.000 Menschen gefoltert und eingesperrt worden sind. Die europäische Perspektive ist die beste Alternative zur russischen Realität und wir müssen dem weißrussischen Volk diese Perspektive aufzeigen.”

Oby Ezekwesili, ehemalige Vizepräsidentin der Weltbank, spricht über das Verhältnis zwischen einem mutigen Europa und seinem Nachbarkontinent Afrika: „Afrikaner:innen sehen diesen Mut etwas differenzierter. Europa ist Afrikas Nachbar. Die Bürokrat:innen mit ihrer althergebrachten Vorstellung von Afrika müssen der jungen Generation langsam den Vortritt lassen, sodass sie, die versteht, dass es um das Bündeln von Ideen und die Vielfältigkeit dieser Ideen geht, uns in eine erfolgreiche und gleichberechtigte Zukunft führen kann. Ein mutiges Europa ist also ein Europa, das aufhört, Afrika als einen humanitären Problemfall zu behandeln. Ein mutiges Europa wäre ein Europa, das auf Afrika blickt und die Möglichkeit einer zusammenhängenden Zone des Wohlstands und der Stabilität sieht. Und nicht ein Europa, das seine Einwanderungspolitik zum Herzstück seiner Beziehung macht. Die Wahrheit ist: Europa braucht Afrika. Ein mutiges Europa würde sich die demografischen Entwicklungen ansehen. Bis zum Jahr 2030 wird einer von drei jungen Menschen am Weltarbeitsmarkt von diesem Kontinent kommen.”

Unter den prominenten Sprecher:innen sind außerdem der österreichische Außenminister Alexander Schallenberg, Oleksandra Matviichuk vom Centre for Civil Liberties, das 2022 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, sowie der Europaparlamentarier Reinhard Bütikofer und die Systemwandelvordenkerin Kirsten Dunlop – und viele mehr.